Zwanzig Jahre digitale Innovation mit Enrico Gulfi
Der Leiter der Informatikabteilung der Stadt Lugano geht in Pension. Wir haben mit ihm gesprochen, um zwei Jahrzehnte voller Meilensteine und tiefgreifender Veränderungen in der Arbeitsweise zurückzublicken – nicht nur für die Stadtverwaltung, sondern für die ganze Gesellschaft.
13 Mai 2025
Die Anforderungen an eine Führungskraft im öffentlichen Dienst unterscheiden sich nicht wesentlich von denen, die nötig sind, um ein Schiff auf offenem Meer zu steuern: eine feste, aber flexible Hand, die Fähigkeit, Signale frühzeitig zu deuten, und eine klare Vorstellung von der Route. Das weiss Enrico Gulfi nur zu gut. Zwanzig Jahre lang leitete er die Informatikabteilung der Stadt Lugano, und zu seinen Leidenschaften zählt das Segeln.
Erst seit wenigen Wochen pensioniert, wurde Enrico in Viganello geboren, studierte Informatikingenieurwesen an der ETH Zürich und begann seine Laufbahn jenseits des Gotthards. Zehn Jahre war er für Landis+Gyr Building Control tätig – ein multinationaler Anbieter von intelligenten Lösungen für Komfort und Sicherheit in Industrie- und Wohnbauten (später vom Siemens-Konzern übernommen) – sowie für Fantastic Corporation, einen Anbieter von Multimediainhalten über Breitbandnetze. Die erste Stelle führte Enrico zudem eine Zeit lang in die USA, nach Chicago.
Was hat dich bewogen, aus der Deutschschweiz nach Lugano zurückzukehren? Wann hast du für die Stadt zu arbeiten begonnen?
Es war 2003, und unsere erste Tochter stand kurz vor dem Schuleintritt. Meine Frau und ich wollten, dass die Familie im Tessin aufwächst. Ich begann als externer Berater. Später hat mich der Stadtrat erst zum stellvertretenden Leiter und schliesslich zum Leiter gewählt.
Welcher technologische Wandel hat dich seither am meisten überrascht?
Ich trat meinen Dienst kurz vor dem Aufkommen des Smartphones an, das wirklich disruptiv war – im Unterschied zum Internet, dessen Wirkung sich schrittweise entfaltete. Innerhalb weniger Monate hatten wir alle ein Gerät in der Tasche, das unsere Art zu kommunizieren und die Welt wahrzunehmen radikal veränderte und zugleich einen völlig neuen, App-basierten Wirtschaftszweig schuf. Heute, so erinnere ich, verfügen rund 70 % der Weltbevölkerung über ein Smartphone, was eine praktisch sofortige globale Verbreitung von Inhalten und Anwendungen ermöglicht.
Auf welches Projekt aus deinen zwanzig Dienstjahren bist du besonders stolz?
Ich bin stolz auf den Online-Schalter, der 2018 lanciert wurde. Wir waren Pioniere und mussten mutig sein, indem wir eine stark prozessorientierte Lösung vorschlugen. Die Digitalisierung ist die einzige Innovation, die seit Jahrhunderten einen grundlegenden Wandel in der Funktionsweise einer öffentlichen Verwaltung erzwungen hat. Die Verwaltung wird von zeit- und personalintensiven Aufgaben entlastet, und die Bevölkerung hat Tag und Nacht Zugang zu zahlreichen Dienstleistungen. Wir holen systematisch Feedback ein; 85 % der Antworten bewerten die Erfahrung als sehr gut oder ausgezeichnet (Rücklaufquote: 41 %).
Gibt es weitere Grossprojekte, die man erwähnen sollte?
Wir haben kürzlich das städtische Datennetz revolutioniert, das über 600 km Glasfaser und 400 Geräte umfasst. Wir haben eine Infrastruktur nach dem Prinzip des Software Defined Network aufgebaut, die es der 38-köpfigen Informatikabteilung erlaubt, Netzressourcen zentral und dynamisch zu steuern. Ein SDN überwindet die Grenzen eines herkömmlichen Netzes, in dem jedes Gerät (Switch, Router, Firewall usw.) einzeln konfiguriert werden muss und das Management mühsamer und weniger flexibel ist.
Von Revolution zu Revolution – kommen wir zur künstlichen Intelligenz. Sind wir bereit für diese Herausforderung?
Auch hier handelt es sich um etwas Disruptives. Als ich ChatGPT erstmals testete, war ich äusserst beeindruckt. Öffentliche Stellen müssen entscheiden, in welchen Bereichen KI (auch intern) eingesetzt werden darf und in welchen nicht, entsprechende Gesetze erlassen und dabei nicht zu spät handeln. Die Chancen sind riesig, wie private Unternehmen zeigen, die KI zur Entscheidungsunterstützung und in Alltagsaufgaben nutzen. Doch die Risiken sind ebenso beträchtlich: Denken wir an erste Betrugsfälle mithilfe generativer Tools. Schon eine Telefonaufnahme von wenigen Sekunden genügt, um eine Stimme zu klonen.
Ist Cyberkriminalität für öffentliche Stellen wirklich so ein grosses Problem oder wird da übertrieben?
Das Problem ist real. Alle Verwaltungen stehen im Fadenkreuz von Hackern. Sowohl die Angriffe als auch deren Erfolgsquote nehmen leider weiter stark zu, und bislang deutet nichts auf eine Entspannung hin. Wachsamkeit sowie laufende Investitionen in Prävention und Schulung des Personals sind nötig, denn der Benutzer bleibt das schwächste Glied.
Welche Lebenslektion hat dir diese lange Arbeitserfahrung vermittelt?
Selbst in einer hypertechnologisierten Gesellschaft zählen letztlich die Menschen. Die Fähigkeiten unserer Mitarbeitenden entscheiden über Erfolg oder Misserfolg eines Projekts. In meiner Funktion war ich ein Ermöglicher und habe in die Kompetenzen aller Mitarbeitenden investiert – in einem Bereich, der immer stärker spezialisiert ist. Der menschliche Kontakt, die Gespräche, die Sitzungen – das werde ich am meisten vermissen.
Welchen Rat gibst du jungen Leuten, die heute im IT-Bereich arbeiten wollen?
Setzt auf eine Ausbildung, die ein besonders solides theoretisches Fundament vermittelt. In keinem Sektor sind die Veränderungen schneller als in der Informatik. Ohne fundierte Basis können praktische Kenntnisse über Nacht veralten, und man läuft Gefahr, den Anschluss an den Arbeitsmarkt zu verlieren. Man muss neugierig sein, Neuheiten beobachten und stets experimentierfreudig bleiben.
Glaubst du, dass sich dein Verhältnis zur Technik jetzt ändern wird? Wirst du sie in anderen Bereichen erproben?
Nein, nicht wesentlich. Wie gesagt, ich will am Puls der Zeit bleiben und Technologie in meinen Leidenschaften anwenden, für die ich nun mehr Zeit habe. Mit 50 habe ich den Skipper-Ausweis gemacht und segle, wenn möglich, im Mittelmeer und Atlantik. Navigations- und Wetter-Apps haben diese einzigartige Erfahrung wirklich verändert. Zudem unterstütze ich den Verein Schweizer Wanderwege und bin ein begeisterter Wanderer – auch in diesem Bereich gibt es fantastische Apps, insbesondere in der Schweiz, deren Nutzung mittlerweile unverzichtbar ist.
Hast du ein Hobby, das völlig analog ist?
Seit einigen Jahren betreibe ich auf Reisen Urban Sketching – live Zeichnungen urbaner Szenen, Architektur und Alltagsmomente. Urban Sketcher erzählen die Welt in ihren Skizzenbüchern und fangen das Wesen eines Ortes in Echtzeit ein. Zudem male ich oft und gern Aquarelle.
Zu Beginn haben wir deine Familie erwähnt; nun wirst du mehr Zeit für sie haben. Ist sie inzwischen gewachsen?
Ja. Ich habe meine Arbeit für Lugano als junger Vater aufgenommen und bin wenige Monate nach der Geburt meines ersten Enkelkindes in Pension gegangen! Das ist ein grosses Privileg.
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